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Rezension zu “Lost and Sound – Berlin, Techno und der Easyjetset”

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Wir sind etwas spät dran, könnte man meinen, denn erschienen ist das Buch von Tobias Rapp als Momentaufnahme der Berliner Technoszene des Jahres 2009. Aber sagen wir einfach “Zum 8-jährigen Jubiläum präsentieren wir euch: …”. Es kann sich nämlich für Berlin-Techno-Interessierte durchaus lohnen, diesen Rückblick zu machen. Das Buch lässt sich als Dokumentation der Technolandschaft Berlins verstehen, die auch heute noch immer in vielerlei Hinsicht aktuell ist. Obwohl Wohnraum mittlerweile doch knapp ist, weil Freiheit und Feierkultur inzwischen fast alle Menschen der Welt nach Berlin verschlug.

In diesem Artikel stellen wir euch “Lost and Sound” von Tobias Rapp vor aus unserer Reihe der 5 besten DJ-Bücher über DJ-Kultur und elektronische Musik.

Worum geht’s in “Lost and Sound”?

Tobias Rapp, ehemaliger Musikredakteur der “taz”, heute Popredakteur beim “Spiegel”, ist wohnhafter Berliner und Technoanhänger, der sich bestens auf der neuen Ausgehmeile zwischen Alexanderplatz und Oberbaumbrücke auskennt. Als Leser begleitet man ihn dorthin, an den verschiedenen Tagen der Feierwoche, die jeweils gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Dabei versucht Rapp, Strukturen und Stimmung der Clublandschaft in Berlin zu veranschaulichen. Er beschreibt die Clubs anhand von Lokalität, Türpolitik, Publikum, Musikstil, Drogengewohnheiten und sozialem Gefüge.

Feier-Hauptstadt der westlichen Welt

Darüber hinaus macht Rapp sich Gedanken über die städtische Politik, die Flächennutzung im Bereich des Spreeufers, Voraussetzungen und Auswirkungen des Feiertourismus auf die Clubs, den Einfluss der digitalen Vernetzung auf die Musikindustrie, trifft Ricardo Villalobos zum Interview, begleitet deutsche DJs zum Sonar-Festival nach Barcelona, beschreibt, wie es im Hard Wax Record Store zugeht, wie ein Techno-Label funktioniert und vieles mehr. Alles, was für Rapp relevant ist für die Wahrnehmung der “Feier-Hauptstadt der westlichen Welt”, trägt er in seinem Buch zusammen.

Kurzweilige Mischung aus Information und Stimmung

Die Lektüre ist unterhaltsam und informativ, für umtriebige Berliner Szenekenner wahrscheinlich ebenso wie für Technofans, die zu dieser Zeit mit Berlin und elektronischer Musik noch keine Berührungspunkte hatten. Der weltweite Hype um die Clubs, besonders um den “Technotempel” Berghain inklusive Panorama-Bar, ist heute aktueller denn je. Rapp gibt nicht nur Infos zur Entstehung und den Netzwerken dieser Orte (Schwerpunkte: Bar 25, Berghain, Tresor), sondern beschreibt die dort verbrachten Nächte, die Athmosphäre, das besondere Miteinander der Menschen, und schafft so eine kurzweilige Mischung aus Information und Stimmung.

Es ist jederzeit zu spüren, dass Rapp die ansässigen Läden und Hintergründe als Insider schon lange und gut kennt. Er hält sich nicht nur in und bei den Clubs auf, sondern befasst sich darüber hinaus mit zahlreichen szene- und musikrelevanten Themen, bis hin zur Entstehungsgeschichte der allseits genutzten Software Ableton Live. So finden auch Kenner vielleicht noch neue Einsichten.

Die Beschreibung eines Lebensgefühls

Um eine Ahnung zu bekommen, wie sich die Lektüre anfühlt, schaut euch einfach mal den Buchrücken an: Die dort abgebildeten Stichworte sind thematisch umfangreich, allerdings auch etwas durcheinander und ungleich gewichtet. Wenn auf 268 Seiten so vieles angesprochen wird, bleiben die Informationen stellenweise auch oberflächlich. Es scheint für Rapp wichtiger zu sein, das Lebensgefühl zu vermitteln, als ein fundiertes Portrait zu liefern.

Thema Drogen

So auch beim Thema Drogen: Immer wieder wird in Nebensätzen auf ihre Präsenz hingedeutet. Auch macht Rapp in einem Abschnitt konkret deutlich, dass das Clubleben in Berlin ohne Drogen nicht existent wäre. Aber eine ausführliche kritische Auseinandersetzung wird bewusst ausgelassen. Laut Rapp deshalb, um die Dealer in den Clubs nicht auffliegen zu lassen. Daher kommt diese eigentlich wichtige Angelegenheit recht kurz, wenn es darum geht, ein vollständiges Bild von den Clubnächten zu zeichnen.

Requisiten vorbeiziehender Nächte

Bis auf wenige DJs und ein paar bekannte Persönlichkeiten aus der Technoszene kommen andere Menschen in dem Buch nicht besonders ausführlich zu Wort, das Clubpublikum ist Requisite in den vorbeiziehenden Nächten. Wahrscheinlich sind wir aber auch sehr verwöhnt durch “Mehr als laut” von Jürgen Teipel, in dem so viele Perspektiven auf die Clubwelt verarbeitet werden, wohingegen man hier auf die Darstellung des Autors angewiesen ist.

Lesen im Filtermodus?

Rapps Erzählstil ist wertend. Überaus angetan ist er beispielsweise von Ricardo Villalobos, dessen Musik und Präsenz bei fast jeder Erwähnung Lobgesänge auslösen. Mancher Leser begibt sich wahrscheinlich an einigen Stellen des Buchs in den Filtermodus, um sich auf den Informationsgehalt zu konzentrieren. Rapps Darstellung kann durch seinen Überschwang etwas eindimensional und parteiisch erscheinen. Andererseits kann man daraus gut die emotionale Verbindung der (Berliner) Technoanhänger zur Stadt, ihren Clubs und DJ-Helden ablesen.

Für wen ist “Lost and Sound” interessant?

Für unbedarfte nicht-Berliner Technofans ein guter Einblick in die Gesetzmäßigkeiten des Ausgehlebens und eine Möglichkeit, die Faszination für die Club- und Technolandschaft Berlins nachzuvollziehen. Für aktive Berliner Clubgänger und hartgesottene Feiertouristen eine gute Darstellung des wöchentlichen Feieralltags, zu der man zustimmend nicken kann. Für ehemalige Hardcore-Raver, heute verantwortungsvolle Erwachsene und Eltern von Zwillingen, eine Nostalgie heraufbeschwörende Erinnerung an verballerte Afterhours in der Bar 25. Für diejenigen allerdings, die es leid sind zu hören, wie toll Berlin ist, mit all den coolen Clubs, wahrscheinlich nicht das Richtige.

Unser Fazit zum Buch

Rapp kann als Insider das Besondere der Clublandschaft gut vermitteln ebenso wie viele Aspekte, die seiner Ansicht nach die Technoszene Berlins ausmachen. Mit seinem Streifzug durch die Tage und Nächte der “Feierwoche” können sich sicher diejenigen identifizieren, die schon ein durchfeiertes Wochenende in Berlin erlebt haben. Es ist der Mix aus Mittendrin-Momenten, allgemeinen Beobachtungen und sachlichen Hintergrundinfos, die das Buch lesenswert machen.

Infos zum Buch

Lost and Sound – Berlin, Techno und der Easyjetset

Tobias Rapp
268 Seiten
Suhrkamp Verlag
Preis: 8,99 €

Letzte Aktualisierung am 8.09.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API

Vanessa

Vanessa legt als DJane vor allem in Clubs auf und schreibt hier von ihren Erfahrungen in der männerdominierten Szene.

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