In diesem Artikel habe ich euch Infos und Tipps für euren ersten Auftritt als DJ zusammengestellt – sowohl für euren Start als mobiler DJ als auch für euren Karriere-Beginn als Club-DJ. Zunächst möchte ich euch allerdings von meiner eigenen Erfahrung mit dem ersten Auftritt vor Publikum erzählen. Verzeiht mir deshalb, wenn ich dafür ein wenig ausholen muss.
In meinem Freundeskreis gab es ein paar Leute, die das Auflegen schon länger betrieben und die sich mit elektronischer Musik befassten. Diese Freunde wollte ich anfangs nur organisatorisch bei dem Plan unterstützen, eine Open-Air-Party auf die Beine zu stellen. Mit dem Auflegen hatte ich selbst damals noch nichts am Hut. Idealistisch und voller Tatendrang wollten wir gemeinsam eine schöne, nicht kommerziell orientierte Veranstaltung mit guter Musik in unserer Stadt etablieren. Als ich bei einer der gemeinsamen Besprechungen erstmals ausprobierte, Tracks zu mixen – zunächst an zwei CDJ 1000 MK3, dann von Vinyl – wusste ich, dass ich auflegen will. Ich begann Beatport zu durchstöbern, Decks Records, Hardwax, Soundcloud, YouTube, Bandcamp und wie sie sonst alle heißen. Jede Form von elektronischer Tanzmusik war interessant, weil für mich bis dato ein unergründetes Feld. Natürlich ergab sich so auch der eine oder andere phänomenale Fehlgriff. Und je größer meine Musiksammlung wurde, desto größer wurde der Wunsch, ein richtig gutes Set draus zu machen und es vor Publikum auszuprobieren.
Ich begann Beatport zu durchstöbern, Decks Records, Hardwax, Soundcloud, YouTube, Bandcamp
Bei unserer zweiten Party spät nachts im Wald, nachdem alle Sets gespielt waren, zwangen meine Freunde mich an die Decks. Ich hatte ganz zufällig etwas vorbereitet, ein halbstündiges Set aus 10 Tracks, war aber plötzlich feige. Nach einer Weile ließ ich mich dann aber überzeugen von den Worten: „Vanessa! Tu es!“, aber noch eher von der Tatsache, dass das Publikum inzwischen auf eine übersichtliche Größe geschrumpft war.
Wer war ich denn, plötzlich einen auf DJ-Skills zu machen?
Ich war zunächst sehr aufgeregt, ich war ja erst ein halbes Jahr dabei und wer war ich denn, plötzlich einen auf DJ-Skills und Musikkennerin zu machen? Diese Gedanken verdrängte ich und die Nervosität ließ nach. Die Übergänge waren gut und alle Gäste haben getanzt und den Eindruck gemacht, Spaß zu haben. Na gut, „die Gäste“ waren überwiegend Freunde und Bekannte, die mich unterstützen wollten, vielleicht haben sie die Langeweile auch nur äußerst überzeugend kaschiert. Trotzdem war es für mich, die eigentlich jede Art von Publikumssituation meidet, eine ungewohnte und schöne Erfahrung, vorne zu stehen, die Gruppe beim Tanzen zu beobachten und ab und zu jemanden meinen albernen DJ-Namen rufen zu hören.
Seitdem hatte ich einige Auftritte, das Publikum wurde größer. Ein paar Sets liefen super, ein paar liefen nicht so super. Ich hoffe aber für euch, dass euer erster Auftritt euch so motiviert wie meiner mich damals. Ich bin mir darüber bewusst, wie viel Glück ich mit den Begleitumständen hatte, die zum Auftritt geführt haben: die Freunde, über die ich mit dem Auflegen in Kontakt gekommen bin und die mich unterstützt haben, weil sie mich an der Gruppe teilhaben ließen. Und ich hatte Glück mit der Situation während des Auftritts. Hätte ich dieses Set an einem anderen Ort abgeliefert, hätte man mich vielleicht mit Flaschen beworfen oder Plastikbechern.
Den allerersten Auftritt in einer möglichst wohlwollenden Umgebung suchen
Daher finde ich es nicht doof, sich den allerersten Auftritt in einer möglichst wohlwollenden Umgebung zu suchen, z. B. bei einer eigenen Party oder auf einer Feier von Freunden. Ich habe aber ohnehin den Eindruck, dass sich das bei den meisten DJs über diesen Weg ergibt. Aber nun weiter im Text:
Es geht darum, den Geschmack des Publikums und dessen Stimmung zu bedienen
Grob gesagt spielt ein DJ Musik aus einer individuellen Sammlung vor Publikum, mit dem Ziel, die Zuhörer zu unterhalten und bestenfalls zum Tanzen zu motivieren. Die Definition ist unabhängig von technischen Methoden. Leute lassen Playlists laufen und nennen sich „DJ“. Im Mittelpunkt steht jedoch die Unterhaltung einer Gruppe von Menschen mithilfe von Musik (die von Tonträgern abgespielt wird). Wenn man als DJ also seinen Job „richtig“ machen will, geht es darum, den Geschmack des Publikums und dessen Stimmung zu bedienen.
Aus diesem Grund ist der Gedanke, euch als DJ-Anfänger zum ersten Mal vor größerem Publikum auszuprobieren, wahrscheinlich reizvoll und erschreckend zugleich, weil ihr erstmals eine unmittelbare Reaktion auf die Musik bekommt, die ihr als „Amateur“ und aus voller Überzeugung für diese Gelegenheit vorbereitet habt. Ihr versucht, die Leute und die Situation richtig einzuschätzen und eure Musik darauf abzustimmen und für jeden Fall gerüstet zu sein. Aber sogar mit jahrelanger Erfahrung fällt es schwer vorherzusehen, wie die Leute eure Musik annehmen, denn …
… bestimmt kennt ihr folgende Situation: Ihr findet einen Track, … anders formuliert: Ihr findet DEN Track und bestellt ganz aufgeregt eure beste Freundin zu euch. Sie tritt ein und noch bevor ihr „Hallo“ sagt, legt ihr schon mit sakraler Geste die Nadel auf die Platte und tretet ehrfürchtig einen Schritt zurück. Ihr wendet euch ihr zu und sucht mit leuchtenden Augen nach dem Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie die Augenbrauen zusammenzieht und sagt: „Ach du mit deiner New-Wave-Psy-Jungle-Scheiße … Hast du nicht was von Paul Kalkbrenner? Oder Fritz?“ Und dann kündigt ihr ihr die Freundschaft. … Spaß.
Bevor ihr „Hallo“ sagt, legt ihr schon mit sakraler Geste die Nadel auf die Platte
Damit will ich sagen: Euer Geschmack entspricht vielleicht nicht dem der breiten Masse. Ihr habt euch ausgiebig mit Musik befasst und habt bestimmte Vorlieben. Wenn ihr viel Musik kennenlernt, entwickelt sich euer Geschmack vom Mainstream weg. Und vor dem ersten Auftritt habt ihr wahrscheinlich noch kein Gefühl dafür, wie das Publikum auf euch und eure Auswahl reagiert, die Tracks spielt ihr ja zum ersten Mal vor einer größeren Gruppe. Und daraus lernt ihr während des Auftritts. Es ist erstaunlich, was ein bestimmtes Lied mit der Stimmung machen kann und darauf könnt ihr gespannt sein. Es gibt aber auch Szenarien, in denen ihr ziemlich genau wisst, was euch erwartet:
Wenn ihr als mobiler DJ musikalisch für Hochzeitsfeiern, Geburtstage oder Betriebsfeiern verantwortlich sein wollt, könnt ihr euch wahrscheinlich gut mit der Rolle des Dienstleisters anfreunden und versucht, musikalisch sehr breit aufgestellt zu sein. Ihr seid auf jeden Wunsch vorbereitet, meist handelt es sich dabei um aktuelle Musik aus den Charts, Hits und Oldies, und mit viel Pech um Ballermann-Mucke. Oftmals bringt ihr auch eigenes Equipment mit. Organisatorische Fragen klärt ihr so früh wie möglich: Von „Welche Technik stellt der Veranstaltern selbst zur Verfügung?“ bis „Wo befinden sich die Steckdosen?“ … Ich finde Checklisten recht nützlich, aber vielleicht reicht eure Speicherkapazität, um euch all das auch zu merken.
Organisatorische Fragen klärt ihr so früh wie möglich
Musikalisch könnt ihr euch auf solche Feste gut einstellen. Ihr könnt im Vorfeld mit den Organisatoren in Kontakt treten und Informationen über den Musikgeschmack einholen. Manche DJs verteilen auch während der Feiern Zettel für Musikwünsche an die Gäste. So etwas gibt euch Sicherheit, weil ihr ziemlich genau wisst, was die Gäste hören wollen, und ihr so den Geschmack besser einschätzen könnt. Dann macht es Spaß, ein paar raffinierte Lieder unterzujubeln, die nicht jeder kennt, und sich daran zu erfreuen, wenn sie gut ankommen. Teil eure Jobs bei solchen Veranstaltungen können auch Moderation oder Durchsagen sein (meine allerliebste lautet: „Das Büffet ist eröffnet“), dabei kann man sich (beim ersten Mal) auch seltsam fühlen, aber auch darauf könnt ihr euch vorbereiten, wenn ihr wisst, was laut Veranstaltungsplan gefordert ist.
Als Club-DJ oder bei der Entscheidung für ein gewisses Genre konzentriert ihr euch hingegen eher auf euren eigenen Stil. Legt ihr großen Wert darauf, euch mit der Musik zu identifizieren und auszudrücken und auch andere dafür zu begeistern, müsst ihr bei Auftritten eher in Kauf nehmen, dass euer Publikum die Musik nicht immer gut annimmt. Wenn ihr das spielen wollt, was euch überzeugt, findet das Publikum, das eure Überzeugungen teilt. Überspitzt formuliert: Legt ihr Psy-Trance auf einer Cumbia-Party auf, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass das super ankommt. Und auch innerhalb eines Musikgenres gibt es so viele Nuancen und Stile, dass die Reaktion der Gäste auf eure persönliche Auswahl unvorhersehbar ist. Auftritte, bei denen der Funke nicht überspringt, können aber sehr lehrreich sein. Natürlich ist das leicht gesagt und fühlt sich in dem Moment nicht lehrreich an, sondern eher nur doof. Das Hin und Her zwischen dem Ausdruck des eigenen Stils und dem Bedienen des Publikumsgeschmacks empfinde ich als eine der größten Herausforderungen, aber auch als lehrreich.
Auftritte, bei denen der Funke nicht überspringt, können sehr lehrreich sein
Bei meinem ersten DJ-Auftritt habe ich davon noch nichts zu spüren bekommen, weil ich zufällig schon in dem Umfeld auflegen durfte, das meinen Geschmack geteilt und auch geprägt hat. Mit der Zeit wird es, so empfinde ich es jedenfalls, wahrscheinlich sogar schwieriger, weil ich immer weniger dazu bereit bin, gewisse Tracks zu spielen, nur weil ich mir sicher sein kann, dass Leute sie „feiern“. Ich bin halt ein Snob. Es gibt Tracks, bei denen ich weiß, sie werden super ankommen, ich selbst mag sie aber nicht so richtig. Oder ich finde einen Track super, weiß aber, andere werden das nicht nachvollziehen können. Ihr entscheidet, was euch wichtiger ist: Sicherheit oder Experimentieren.
Ihr sammelt und sammelt und sammelt Musik. Vielleicht vergesst ihr darüber manchmal, dass ihr auch essen und schlafen müsst. Bei Playlisten, die man für ein bestimmtes Event konzipiert ohne Übergänge kann es einigermaßen zügig gehen, bis man einige Stunden zusammengestellt hat – besonders wenn klar ist, welche Musik erwartet wird. Legt ihr mit Platten auf, kann ein einstündiges Set Monate und Jahre eurer Zeit in Anspruch nehmen. Gerade, wenn ihr am Anfang noch nicht wisst, in welche Richtung ihr gehen wollt und was euren Stil ausmacht. Auch an mp3-Mixes kann man ewig feilen, wenn man auf gute Übergänge Wert legt. Man sucht nach Tracks in ähnlichem Tempo, deren Elemente gut zusammenpassen und die ineinander gemischt einen schönen Stimmungsbogen ergeben. Und wenn ihr endlich genug Musik gefunden habt, um Auftritte zu bestreiten, beginnt die Suche nach Gigs.
Auch an mp3-Mixes kann man ewig feilen, wenn man auf gute Übergänge Wert legt
Wahrscheinlich wird euer erstes Mal kein Auftritt auf der Mayday, sondern im Innenhof auf der Geburtstagsparty von Oma. Ich persönlich hätte auf Zweiteres auch viel mehr Bock. Wenn eure Tante es cool findet, erzählt sie das vielleicht ihren Freunden im Töpferkurs und die buchen euch für ein Grillfest in der Nachbarschaft. Aber natürlich sucht ihr auch aktiv nach Auftritten und es hilft, das überall herumzuerzählen. Nach einer Weile wächst euer Publikum und ihr sammelt Erfahrung. Irgendwann seid ihr vielleicht der Mainact auf der Mainstage eines Festivals auf Ibiza und seid wahnsinnig aufgeregt. Aber auch die allererste Vorstellung für Omas Geburtstag wird vielleicht für Nervosität sorgen. Kann sein, dass euch der Gedanke hilft, dass niemand euren Auftritt so wichtig nimmt wie ihr selbst. Sich dessen bewusst zu sein, dass der geniale Track, den man gerade spielt, von jemand anderem gemacht wurde, sollte die Aufregung und eventuelle Starallüren relativieren. (Es sei denn, der Track ist von euch. Dann Bravo und viel Erfolg!)
Natürlich sucht ihr auch aktiv nach Auftritten und es hilft, das überall herumzuerzählen
Und wenn ihr nun doch im Club hinter dem DJ-Pult steht, euch als Mittelpunkt der Welt empfindet und eure „Performance“ läuft nicht so gut? Dann ist es häufig so, dass das Publikum die schlechten Übergänge nicht so deutlich wahrnimmt wie ihr selbst oder sich wenig an ihnen stört, wenn die Musik passt und die Leute Lust haben, zu tanzen. Also keine Panik.
Möglicherweise passiert Folgendes: Der Auftritt geht schief. Die Übergänge sind mies, das Publikum gähnt, niemand tanzt mehr, jetzt seid ihr der einzige Mensch in einem festlich beleuchteten Raum mit lauter Musik. Das ist nicht schön, aber es passiert. Aber sogar in dieser Situation könnt ihr Spaß haben, wenn ihr überzeugt seid, dass die Musik gut ist, die ihr spielt. Dann könnt ihr euch daran erfreuen und raven, als ob niemand zuschaut. Oder, naja – weil niemand zuschaut.
Eine negative Publikumsreaktion beim ersten Auftritt zerstört hoffentlich nicht gleich eure Freude am Auflegen. Wenn es, aus welchem Grund auch immer, nicht gut lief, dann habt ihr zumindest feststellen dürfen, dass sich die Erde noch immer dreht und der nächste Auftritt nur besser laufen kann. Auch das kann euch als Motivation dienen. Dann heißt es weiter nach Musik suchen, mehr ausprobieren, bis ihr euer Publikum besser versteht und wisst, wie ihr es unter Kontrolle bringen könnt.
Oder könnt ihr von persönlichen Erfahrungen vom ersten Auftritt als DJ berichten? Schreibt gerne alles, was ihr loswerden wollt, als Kommentar.
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